Das Chaos auf meinem Schreibtisch & meine Seele

Ich habe tausend kreative Ideen, die verwirklicht werden wollen. Die meisten bleiben jedoch aus Zeitmangel in meinem Kopf stecken oder manchmal eben auch auf meinem Schreibtisch liegen. Ich beginne etwas zu nähen, zu gestalten und dann kann ich es nicht beenden, sei es weil mich doch spät abends die Müdigkeit überrollt oder weil die Mittagspause der Kinder vorbei ist. Obwohl ich ein Mensch mit hohen Beständigkeitsanteilen bin und in manchen Bereichen sehr gewissenhaft lebe, liegt mir in diesen Momenten nichts ferner als das Angefangene wegzuräumen und meinen Schreibtisch in den original Zustand zu versetzen. Ein Projekt zu diesem Zeitpunkt weg zu räumen, würde dem kreativen Fluss ein Ende setzten – ein „No Go“!

Ich besitze noch eine andere Fähigkeit, die meine Mitbewohner nicht unbedingt als solche bezeichnen würden: Wenn bei mir lange genug etwas rumliegt, dann „sehe“ ich es nicht mehr. Es fügt sich ins Bild ein und stört mich nicht mehr. Sehr zum Leidwesen meines Mannes, kann dann der Zustand einer Chaos-Ecke zum neuen Ordnungsstandart erhoben werden. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich immer (na gut meistens) weiss wo ich alles abgelegt habe. Es gibt Menschen, die haben immer Ordnung und können die Dinge trotzdem nicht finden. Ich habe eine ganz private Logik in meinem Chaos.

Die oben beschriebene Art der Unordnung könnte man als ein positives, schöpferisches Chaos bezeichnen. Sie hat in meinen Augen durchaus ihre Berechtigung und wird auch von meinem ordnungsliebenden Mann toleriert, solange sie auf meinen Schreibtisch begrenzt bleibt und sich nicht pandemisch ausbreitet.

Da ist jedoch auch noch das andere Chaos… Das welches ein äusserer Gradmesser meines inneren Befindens darstellt. Wenn das Leben stressig und vielschichtig ist, häufen sich die unerledigten und herumliegenden Dinge innerlich wie äusserlich. Dann hat auch keine Kreativität mehr Patz, denn da hechle ich meinem Leben hinterher. Meinen Schreibtisch in diesen Zeiten anzusehen gibt nicht nur meinem Mann Beklemmungsgefühle, sondern auch ich höre dann meine innere Stimme, die mir sagt:“ Es ist Zeit zum Innehalten, Durchatmen, Fokussieren!“ Den Schreibtisch aufzuräumen, ist in dem Moment nur Symptombekämpfung, da ich innerlich Ordnung brauche. Ordnung in den Gedanken und Gefühlen. Ordnung in meinem Tagesablauf – Versöhnung mit mir selbst und meinen Unzulänglichkeiten.

So stimme ich dem Zitat von Einstein zu, dass meine Unordnung auf dem Schreibtisch manchmal, das Chaos meines Seelenlebens wiederspiegelt. Ein leerer, aufgeräumter Schreibtisch zeugt jedoch nicht von einem leeren Geist, sondern von einer aufgeräumten, mit sich im Reinen Seele! Wenn dieser Zustand erreicht ist hat auch wieder Kreativität Platz und der Schreibtisch füllt sich freudenvoll mit neuen Ideen…