Ein (Wahn)sinniger Tag...

 Tage wie dieser... Es gibt sie einfach, die Tage an denen man doch so genau plant und am Ende alles drunter und drüber geht. Dienstage sind für mich durchgeplant und immer gleich. Ich als Beständige Persönlichkeit schätze dies sehr und es gibt mir Sicherheit. Da mögen meine drei Unsicherheitsfaktoren im Alter von 7, 5 und bald 3 Jahren, noch so für Unruhe und Abwechslung sorgen; der Dienstag ist immer gleich, da bestehe ich drauf! Aufstehen, Kinder in die Schule/Kindergarten schicken und die jüngste in die Spielgruppe bringen. Nahtlos geht es auf zum Wocheneinkauf, der ohne Kinder eine Erholung, ja ein Vergnügen ist! Nach Hause gehen, Einkäufe verräumen, die Kleine abholen und Mittagessen kochen. Am Nachmittag gehe ich arbeiten und überlasse den Rest den fähigen Händen meines Mannes. 

"Die Krise von heute ist der Witz von morgen." 

Kerstin Hack


Genau so sah der  Plan aus an besagtem Dienstag, als ich mich unter Zeitdruck (das Leben ist schliesslich kein Ponyhof) auf den Weg machte, um die Kleine in die Spielgruppe zu fahren. Hier muss ich noch hinzufügen, dass wir aus ökonomisch-ökologischen Gründen mit einer anderen Familie ein Car Sharing betreiben (Neudeutsch; Auto teilen). Ich mache jeden zweiten Dienstag den Einkauf nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad und Anhänger. Und da stand ich nun; vor meinem Fahrrad und sehe den platten Reifen!

 

In meinem Hirn gibt es schwarze Löcher, dort fallen manchmal Informationen und Gedanken rein, und kommen nie mehr hervor. Als wären sie nie dagewesen, nie gedacht worden... Genau in ein solches schwarzes Loch muss am Freitag (FREITAG!) die Information "Du hast einen Platten" gefallen sein, kurz bevor ihm der Gedanke "Darum musst du dich kümmern" hinterher sprang! 

 

Nicht anders kann ich mir erklären, dass ich am Dienstag vor einem platten Reifen stand, obwohl ich doch 3 Tage lang Zeit gehabt hätte etwas zu unternehmen…

In dem Moment fühlte ich mich total ausgebremst und hilflos. Mein Mann ging nicht an sein Handy ran, und die Nachbarn, die ich nach einem Alternativgefährt hätte fragen können, sind nicht da. Als ich dann meinen Mann endlich erreichte, schilderte ich ihm die Situation so neutral wie möglich. Er sagte nur, dass er sich schon am Abend zuvor gefragt habe, wie ich wohl den Wocheneinkauf erledigen wolle mit einem Platten. Er hat sich gefragt, natürlich nicht mich! nach diesem Kommentar konnte ich guten Gewissens die Fassung verlieren und ihm die Schuld geben – also wirklich!

 

Kein Auto, kein Fahrrad; da bleiben nur noch die Füsse... Mit denen machte ich mich auf den Weg, immer noch aus allen Löchern dampfend und erfüllt mit gerechtem Zorn.

Gott sei Dank gibt es nicht nur die schwarzen Löcher in meinem Hirn, sondern auch blitzartige  Erleuchtungen. Genau dies war der Fall, als mir ein Satz aus einem Referat von Kerstin Hack in den Sinn kam:


"Ich bin zum Gestalten berufen, nicht zur Machtlosigkeit"

                                                                                                Kerstin Hack

 

Wie treffend und cool fand ich doch am Frauentag die Worte von Kerstin und wie hart treffen sie mich jetzt in meiner mühsamen Situation.

Bin ich jetzt Opfer der Umstände? Oder geht es nicht vielmehr darum, selber Verantwortung zu übernehmen? Entscheide ich mich für die Opfer Haltung und die daraus hervorkommende Machtlosigkeit? Oder will ich kreativ und aktiv werden?

Was vermeide ich dadurch, dass ich bei allen anderen die Schuld suche? Ich vermeide hinzuschauen und mich selbst zur Rechenschaft zu ziehen. Ich hatte einen Morgen vor mir, den ich zu Fuss, den Anhänger stossend, bewältigen musste. Völlig selbstverschuldet, ging diese Tatsache ganz alleine auf mein Konto. Mir dies einzugestehen tat weh, und machte mir wieder bewusst, dass ich fehlbar bin. Ich habe einmal gelesen, dass wir Frauen uns öfters selber freundschaftlich auf die Schulter klopfen sollten. Ich soll freundlich mit mir umgehen und nicht immer Perfektion von mir erwarten.

 

Also entschied ich mich während dem Laufen und Anhänger stossen für einen Perspektivenwechsel; weg von der Machtlosigkeit, die mich bewegungsunfähig macht, hin zum schöpferischen Gestalten.

Nach dem ersten Kilometer war ich soweit und konnte diesen Dienstagmorgen als ideales Training für meinen Körper sehen! Ich machte 5 Kilometer, verbrannte ein paar Kalorien, habe alles auf meiner "to do"- Liste erledigt, und es fühlte sich am Ende einfach gut an. Die Situation hat mich nicht zur Hilflosigkeit und zum Ärger verdammt, sie brachte mich von der Starre zum Leben und dort will ich immer mehr hin!

 

Bleibt nur noch zu erwähnen, dass mein Mann, nachdem ich die Verantwortung wahrgenommen habe und ihn fragte, den Reifen ersetzte und ich jetzt wieder auf zwei Rädern unterwegs bin.

 

Irgendwann einmal muss ich diesen schwarzen Löchern in meinem Hirn nachgehen, sofern ich es nicht vergesse…

 

 



Kommentar schreiben

Kommentare: 0