Geschmäcker sind verschieden!

Liebe geht durch den Magen! Wenn das stimmt, dann hätten mir letzte Woche meine Kinder die Liebe gekündigt! Es war eine dieser Wochen, in denen ich die Geschmacksnerven meines Nachwuchses bis aufs Äusserste gereizt habe und die Frage: " Was gibt’s zu essen?" mit einem ängstlichen Unterton gestellt wurde.

Es gibt fast nichts, das mich schneller auf die Palme bringt, als wenn mein Sohn am Mittag vom Kindergarten nach Hause kommt und noch bevor er mir überhaupt „Hallo“ sagt, die Frage nach dem Essen stellt. Meist steht er noch angezogen im Treppenhaus und schreit in die Wohnung rein:“ Mamma! Was gibt’s zu essen?!“...

"Liebe geht durch den Magen."...


Ich zucke dann, je nach Menü, innerlich zusammen und gebe ihm zögerlich, möglichst ausweichend Antwort. Die Reaktion? Ich werde sie hier nicht genauer beschreiben, sie ist zu deprimierend! Ich sage nur so viel: Auch unsere Nachbarn wissen inzwischen, wann Mammandrea etwas kocht, das Sohnemann nicht passt…

Ich liebe es zu kochen, Neues auszuprobieren, Abwechslung zu haben. Ich koche von Herzen gerne für meine Familie mit Zeit und Hingabe. Wahrscheinlich beleidigt es mich deshalb auch so, wenn das Gekochte bei 60% der Familie nicht ankommt.

Ich beobachte, dass sich das Essen in vielen Familien zum Kampfplatz entwickelt hat. Entweder wird mit allen Mitteln gekämpft, oder die eine oder andere Seite resigniert. So oder so, es gibt stets gefühlte Sieger und ganz sicher einige Verlierer.

Während man dankbar war, wenn jeder satt wurde am Tisch und dies vielleicht noch keine Selbstverständlichkeit war, gibt es heute Essen im Überfluss; was ich will und wann ich will. Der Wert des Essens ist gesunken, aber dessen Bedeutung ist beachtlich gestiegen. Heutzutage wissen die meisten was gesunde Nahrungsmittel sind. Die Ernährung wird manchmal schon fast zur Religion gemacht, sie bestimmt das Leben, den Rhythmus, die Einstellung, den Selbstwert, das Körpergefühl.

Ich höre von Müttern, die ständig irgendeine Diät machen und deswegen nicht mit ihren Kindern am Tisch essen. Und dann wundern sie sich, weshalb ihre Kinder schlechte Esser sind und Essen verweigern. Weit mehr beobachte ich den ungesunden Umgang mit Essen bezüglich Süssem und dem zwischendurch Essen. Kinder dürfen selber an den Küchenschrank, essen mehrmals täglich Süsses als Zwischenmahlzeit, werden nur mit dem bekocht, was sie mögen. Die Konsequenz? Übergewicht, emotionales Essen (um sich zu trösten, zu belohnen, aus Langeweile etc.) und heikle Esser, die man schwer zufriedenstellen kann, wenn sie zu Besuch sind.

Wie schaffe ich es also als Mutter, dass der Esstisch nicht zum Schlachtfeld wird? Ich will meinem Kind nicht den Willen brechen, indem ich es zwinge zu essen. Ich bin aber auch kein „à la Carte“ Restaurant, das sich ganz nach den Wünschen der Gäste richtet. Wo ist die lebbare Mitte für alle? Die Modelle sind wohl so Vielfältig wie das Leben und bei uns in der Familie haben wir uns für das Prinzip der Freiwilligkeit entschieden. Allgemein wollen wir unseren Kindern lernen, dass man wählen kann, jede Entscheidung und Handlung aber auch eine Konsequenz hat, die man bereit sein muss zu tragen.

Ich habe unser „Konzept“, das hier zum ersten Mal schriftlich festgehalten wird und eine Zusammenfassung von vielen Familienräten und Diskussionen mit meinem Mann ist, auf drei Punkte gebracht: 

 

Jede Entscheidung hat eine Konsequenz

 

 

Bezüglich des Essens sieht das zum Beispiel so aus: Unser Sohn darf sich entscheiden ob er Essen will was auf den Tisch kommt oder nicht. Wir zwingen ihn nicht zum Essen. Nicht essen hat eine natürliche Konsequenz; nämlich dass man hungrig sein wird. Er kennt die Tatsachen und weiss dass es erst wieder zum „Zvieri“ (für die deutschen Leser/innen: eine Zwischenmahlzeit am Nachmittag) etwas zu essen gibt. Er entscheidet sich für das Mittagessen oder für den Hunger. Wir trauen ihm diese Entscheidung und die Konsequenzen zu.

 

Essen was auf den Tisch kommt

 

Ich kenne die Vorlieben meiner Kinder. Die bewegen sich vor allem im Bereich der Kohlenhydrate (Nudeln, Kartoffelstock und Pommes) und für meinen Sohn noch beim Fleisch. Gemüse? Je grüner desto schlimmer! Ich bin manchmal versucht noch ein paar Nudeln zu kochen als Alternative zum vorgesehenen Menü. Einfach um meine Kinder zu beglücken – bin ja schliesslich auch nur eine Mutter aus Fleisch und Blut! Ich habe es mir aber noch nie erlaubt, denn ich weiss das kann nicht die Lösung sein. Vielmehr zwingen wir sie nicht, alles essen zu müssen. In einem Eintopf, darf das Ungeliebte auch herausgepickt werden und die Menge bestimmen die Kinder. Nachschlag gibt es erst wenn alles gegessen ist.

Ich bin jedoch der Überzeugung, dass unter dem Aspekt der Gleichwertigkeit auch die Kinder wünschen dürfen was gekocht werden soll. So gibt es dann in regelmässigen Abständen ihre heissgeliebten Mahlzeiten und meine Kinder sind so glücklich wie sie eine Mutter haben will am Tisch! Dann wünscht sich meine älteste Tochter Polenta mit Hackfleisch Sauce (Polenta mag ICH nicht!), mein Sohn Kartoffelstock mit Fleischbällchen und die Jüngste; Reis mit Baumstämmen (Broccoli). Na gut, sie zählt eigentlich nicht, sie müsste man schon zu den Erwachsenen zählen, denn sie isst alles!

 

Tischregeln die für alle gelten!

 

Jeder darf etwas nicht mögen, muss es aber nicht während der ganzen Mahlzeit lauthals kundtun. So lernen wir unseren Kindern „ICH-Botschaften“ zu senden. Für mein „Köchinnen Herz“ macht es einfach einen Unterschied, ob man sagt: „Ich mag das nicht.“ Oder: „Pfui das ist eklig!“

Auch wer entscheidet nicht essen zu wollen (passiert interessanterweise fast nie), sitzt mit am Tisch, denn es geht da ja nicht nur ums Essen, sondern auch um die Gemeinschaft.

Seit wir uns an diese Regeln halten, herrscht meist Frieden an unserem Tisch und es gibt fast keine Kämpfe mehr (20 Minuten am Tag kein Streit, ist doch auch schön!)

 

Jetzt aber zurück zur letzten Woche: Es gab noch nicht einmal etwas, das jeder am Tisch mochte, denn ich bin im Moment auf dem „Neues kennen lernen Trip“. Mein Mann und der Besuch sind begeistert; meine Kinder enthalten sich der Stimme und essen Spatzenportionen.

Das hat mich zu folgendem Entschluss gebracht; heute Abend gibt es Pfannkuchen! Genug experimentiert und ausprobiert. Ich gehe zum Altbewährten, denn da weiss ich: Ich werde 100 % punkten und mein Sohn wird diese Liebeserklärung garantiert verstehen!


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