Billy Biber & das innere Gleichgewicht

Erkenntnis dieser Woche: man sollte einfach nicht Billy Biber spielen, wenn man innerlich nicht im Gleichgewicht ist. Nein, ich rede nicht von Justin Bieber, sondern vom Kinderspiel „Billy Biber“. Da geht’s drum, dass man den Damm des Bibers abtragen muss, ohne dass dieser oben runterfällt. Mit einem Hölzchen muss ich die „Baumstämme“ aus dem Damm schieben und das Gleichgewicht des Bibers erhalten, denn wenn er fällt, dann meckert er und ich muss eines meiner 2 Meckerchips abgeben. Kurz; es braucht ein gutes Augenmass, eine ruhige Hand und Geschick. Ich hatte nichts von alledem gestern Nachmittag und Billy Biber war Dank meiner Hilfe, nach kurzer Zeit erledigt - Sehr zur Freude meiner Töchter die gewannen!

Mich hat es gestern gründlich vom meinem selbstgebauten Damm gerissen und alles meckern half nichts; ich lag zwischen den sinnbildlichen Baumstämmen meines Lebens und wusste kurzzeitig nicht, wie ich da wieder hochkommen sollte...

"Der Herr ist meine Stärke und mein Schild; auf ihn hofft mein Herz und mir ist geholfen."

Die Bibel, Psalm 28.7


Gestern am Morgen stand ich noch so stabil im Leben wie es nur geht und war trotz einer bevorstehenden Herausforderung guten Mutes und voller Optimismus. Ich bin in einer Ausbildung und hatte gestern ein Intensivtraining, in dem ich auf Prüfungstauglichkeit hin arbeite und Feedback zu meinem Status Quo erhalte. Da ich im Mai schon ein solches Training ohne grosse Hindernisse absolviert hatte, war ich zuversichtlich und glaubte an einen weiteren Erfolg. Tja – weit gefehlt; ich hab’s verbockt! Da kam ein Holzstäbchen, hat ein wenig an meinen Baumstämmen des Wissens und der Erfahrung gerüttelt und ich verlor glatt das Gleichgewicht und purzelte runter! Soweit so gut – kann ja mal passieren könnte man sagen. Da ich aber nicht „man“ sondern Mammandrea bin, hat es mich voll erwischt und ich fühlte mich als Totalversager. Ich, die eh schon immer darum ringe, dass ich mir etwas zutraue und die sich endlich durchgerungen hat nächstes Jahr den Abschluss zu machen, bekomme eins auf den Deckel und der erste Gedanke war: Jetzt kannst du ALLES an den Nagel hängen! Du kannst NICHTS!Auf dem Nachhause weg fragte ich mich, was da abgelaufen ist und warum mich diese Niederlage so in meinen Grundfesten erschüttert. Weshalb kann ich es nicht einfach wegstecken und die konstruktive Kritik annehmen, damit ich daraus lernen kann und besser werden? Das wäre doch eigentlich das reife, reflektierte Verhalten, welches ich als Mammandrea unbedingt an den Tag legen sollte.

 

Mir wurde bewusst, dass eben nicht die reflektierte Mammandrea reagiert hat, sondern dass das Kind in mir die Kontrolle über meine Gefühle übernommen hat und ein ganz schönes Chaos mit meinen schön geordneten Baumstämmen anrichtete. Das Kind in mir stand nämlich mit 10 Jahren auf dem Pult und musste mit der Klasse um die Wette Schnellrechnen. Der Schnellste durfte jeweils absitzen und ich, blockiert durch die Angst am Schluss noch als Einzige oben auf dem Pult zu stehen, versagte. Ich stand regelmässig wie ein Leuchtturm in der Brandung,

für alle sichtbar, dort oben auf dem doofen Pult, schämte mich und musste den tadelnden Blick meines Lehrers ertragen. Diese Angst brachte mich meine ganze Mittel-und Oberstufe nie über eine 4,5 heraus im Zeugnis und in den schlimmsten Zeiten weinte ich jeden Sonntagabend, dass ich nicht in die Schule wolle. Im Fach Mathematik war ich so entmutigt, dass ich bis heute manchmal denke: „Ich kann das nicht.“ Und gestern stand ich plötzlich wieder auf dem Pult meiner Kindheit und meine Leistung genügte nicht, um mich dort runter zu bringen. Ich nahm die

ganze Scham und das Gefühl des Versagens mit nach Hause und war für nichts mehr zu gebrauchen – nicht einmal mehr zum Billy Biber spielen. Ich hatte den ganzen Nachmittag noch das Gefühl, dass mir die Felle wegschwimmen – oder um im Bild des Bibers zu bleiben; alle meine Baumstämme.

 

Ich wusste, dass ich kein Kind mehr bin, das vom Lehrer aufs Pult zitiert wurde.  Ich habe mich ganz alleine dorthin gestellt gestern und ich würde mich dort auch wieder runterholen müssen. Ich wusste, dass ich nicht in der Opferrolle verharren, oder meinen Umständen die Schuld in die Schuhe schieben kann. Mit diesem Wissen gönnte ich mir gestern Abend einen mitleiderregenden Heulkrampf, ein tröstendes "Alles wird gut" Bad  und dazu eine humorvolle Ablenkung mit 2 Episoden "Friends".  Mein Mann trug das Seine bei, indem er mir mit den Worten "Ich liebe dich und steh zu dir!", einen hoffnungsvollen Blumenstrauss nach Hause brachte. Gestern war gestern und heute ist ein neuer Tag! Der Tag an dem es gilt die Baumstämme wieder aufeinander zu stapeln und mich wieder auf den Damm meines Lebens zu stellen, um weiterzumachen. Ja, da ist noch das eine oder andere Loch, oder eine undichte Stelle, aber ich halte die Mittel in den Händen um sie zu schliessen.

 

Ich kann daraus lernen und weiterüben, bis es soweit ist und ich mehr Sicherheit erlangt habe. Ich habe die Fähigkeiten und werde sie erweitern können. Ich bin gleichwertig und nicht mehr ausgeliefert, Ich habe die Verantwortung und die Möglichkeiten den Verlauf selber zu bestimmen.

Und was ist mit der kleinen Andrea in mir? Der begegnet Gott immer wieder. Er sagt ihr, dass er mit ihr auf dem Pult stand damals, dass sie zu keiner Zeit alleine war. Und dort oben sah er sie nicht durch ihr Versagen oder durch ihre Scham - Nein; er sah SIE, bedingungslos geliebt, angenommen und genügend in seinen Augen!

 

Mmmh...wisst ihr was? Nach diesem Blogeintrag habe ich direkt Lust auf eine Runde "Billy Biber"! Denn ich glaube jetzt hätte ich die ruhige Hand die es braucht, um meinen Mädels zu zeigen, dass auch bei mir der Biber oben bleiben kann!

 


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