Von Fischen auf Bäumen...

Neulich stöberte ich im Weltbildkatalog die Neuheiten durch und als mein Blick beim Buchtitel «Am Arsch vorbei geht auch ein Weg» hängenblieb, musste ich herzhaft lachen. Der Titel ist provokant, das Bild dazu, eine Buddha Statue, die den Stinkefinger zeigt, in meinen Augen geschmacklos, aber als ich die kurze Beschreibung las, wurde ein Prozess in mir ausgelöst. Die Autorin schreibt darüber, dass wir Vieles in unserem Leben nur tun, um vor den anderen gut dazustehen und ihnen zu gefallen. Ihre These: Wenn wir uns ein bisschen mehr Dinge «am Arsch vorbeigehen» liessen, wäre unser Leben lockerer...

Wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann...


Ich hätte das Thema wahrscheinlich nicht weiterverfolgt, wenn da nicht ein Artikel im Flow Magazin zum Thema «Sich sein eigenes Leben gestalten» gewesen wäre und ich erkannte mich in einigen Aussagen sofort wieder!

Wozu tue ich, was ich tue? Wie viele Dinge tue ich, weil ich sie will und wie viele Dinge tue ich, weil ich das Gefühl habe, dass es andere von mir erwarten? Wie oft beeinflusst, die gefühlte Meinung eines anderen meine Entscheidungen im Leben? Umgekehrt: Wie oft tue ich etwas NICHT, aus Angst jemand in meinem Umfeld könnte nicht einverstanden sein mit mir? Die ehrliche Antwort darauf? VIEL ZU OFT!

Mein Schwachpunkt ist, dass ich Vieles nicht wage, aus Angst vor der Beurteilung meines Umfelds. Denn könnte jemand eine Idee von mir nicht gut finden, schlussfolgere ich sofort; der findet MICH nicht gut, der hat etwas gegen mich. Und so lasse ich manche gute Gelegenheit verstreichen, weil ich nicht anecken will…

Es gibt die Menschen, die frei heraus leben, ohne sich allzu viele Gedanken zu machen, was andere denken könnten. Sie wirken auf mich optimistisch und mutig, ihnen fällt es leicht dem Anderen Gutes zu unterstellen und nicht immer vom Schlechtesten auszugehen. Ich hingegen habe in mir eine ganz starke und laute Stimme, die laufend kommentiert: «Das tut man nicht! – «Das tut man aber!» Mit diesen hohen Wertvorstellungen beurteile ich nicht nur andere, sondern auch ich selber scheitere immer wieder daran.

Wenn ich dann mal einen «Mutanfall» habe und nach Pipi Langstrumpfs Motto «lass dich nicht unterkriegen. Sei wild, frech und wunderbar! ( A.Lindgren) leben will,  dann geht es nicht lange und die Stimme in meinem Kopf sagt: «Ja aber, was könnten da die anderen denken?!»

Wer gestaltet nun eigentlich mein Leben? Die Meinung der Anderen, meine Menschenfurcht, oder ich? Es ist nicht sehr schmeichelhaft sich einzugestehen, dass viel zu oft die Menschenfurcht das Sagen hat. Ich glaube wirklich, dass es am «Arsch vorbei» auch einen Weg gibt, nur scheint mir der ein wenig schwieriger. Was müsste mir möglich sein, um einen anderen Weg, vorbei an der Meinung der anderen zu begehen? Ich glaube ein Lösungsansatz heisst: Aufhören mich zu vergleichen. Denn mit dem Vergleichen, bewerte ich was gut, schlecht und was besser ist, als das, was ich habe oder bin. 

 

"Wer ständig vergleicht, verliert den Fokus auf die eigenen träume."

Flow, Nr. 1/2017

Wenn ich mich vergleiche, sehe ich auf den anderen und verliere mich. Wenn ich nur tue was den anderen gefallen könnte, muss ich mich verbiegen und bin nicht authentisch. Dann werde ich zum Fisch, der verzweifelt versucht auf einen Baum zu klettern, nur um irgendwann resigniert aufzugeben, im Glauben, dass ich eben zu dumm sei.

Mir stellt sich die Frage: Wie kann ich ein selbstbestimmtes Leben führen, ohne rücksichtslos zu sein, aber trotzdem ganz bei mir?

Laut dem Artikel im Flow braucht es dazu Selbstakzeptanz und Liebe. Selbstakzeptanz heisst für mich, dass ich ein JA zu mir selber haben darf, zu meinen Stärken und Fähigkeiten und ebenso zu meinen Grenzen und Schwächen. Es braucht die Fähigkeit der Abgrenzung: Das bin ich, das bist du und ich bin nicht du!

Was hat aber Liebe mit dem Thema zu tun? Mir kam folgende Stelle aus der Bibel in den Sinn:

 

«Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben mit deinem ganzen Herzen, von ganzer Seele, mit all deiner Kraft und deinem ganzen Verstand. Und auch deinen Mitmenschen sollst du so lieben, wie dich selbst.» Lukas 10.27

 

 

Bei dieser Stelle wird oft, die Liebe zu Gott und auch die Liebe zum Mitmenschen hervorgehoben. Daraus kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass Gott mich auffordert, ihn und meinen Nächsten selbstlos zu lieben. Die letzten drei Worte sind jedoch «wie dich selbst» und gehören zu diesem dreifachen Liebesgebot dazu. Damit ich meinen Mitmenschen lieben kann, muss ich zuerst mich selber lieben. Denn wenn ich mich ablehne und verachte, dann blicke ich voller Neid auf mein Gegenüber und sehe nur, was er doch alles besser hat und kann. Daraus entspringt keine Liebe, sondern Eifersucht, Neid und Abneigung. Wenn ich mich selber nicht wichtig nehme, nehme ich den Anderen überwichtig! Dann ist eine Beziehung nicht mehr gleichwertig, sondern ich unterwerfe mich und es dreht sich alles nur noch um die Meinung, Beurteilung und das Handeln des Gegenübers. Der Andere bestimmt dann auch mich. Das ist auch nicht Liebe! Denn die Liebe, wie Gott sie meint, kann nur auf Augenhöhe passieren, in gegenseitiger Achtung und Annahme. 

 

Ich komme zum Schluss, dass der peppige Spruch "Am Arsch vorbei geht auch ein Weg", nicht mein Lebensmotto werden wird, denn laut Definition heisst die Redewendung "Es geht mir am Arsch vorbei": 

etwas ist jemandem egal; jemand ist nicht interessiert an etwas / jemandem 

Ja, es stimmt, gewisse Dinge sollten mir echt egal sein und an manchen Meinung anderer Leute darf ich ruhig nicht interessiert sein. Aber der andere soll mir nie egal werden und ich will nie so egoistisch sein, dass ich  nur noch an mich und meine Bedürfnisse denke. Ich will mir das dreifache Liebesgebot zu Herzen nehmen, und meinen Gott von ganzem Herzen lieben. Dies ermöglicht mir mich selber anzunehmen, wie ich bin und daraus entspringt die Liebe für meinen Mitmenschen. Wenn mir diese Balance gelingt, dann finde ich ein ehrliches JA zu mir selber und der Andere ist keine Bedrohung mehr, sondern wird zu meiner Ergänzung!

 

...wird er sein ganzes Leben lang glauben, dass er dumm ist."

A.Einstein


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Kommentare: 1
  • #1

    Eva Wolf (Sonntag, 26 März 2017 17:35)

    Vielen Dank Andrea
    Kenne diese Gedanken nur all zu gut. ich lebe mit dem Motto ganz gut "nobody is perfect" und da gehört anderen Menschen nicht immer zu gefallen, auch hinein.
    Und: umso besser ich weiß was ich will, desto einfacher gelingt das abgrenzen. Weiter so!