(Un)fertig!

In den letzten Tagen kommt eine unangenehme Tatsache meiner Persönlichkeit immer wieder wie ein Boomrang zu mir zurückgeflogen. Bis heute habe ich den Boomrang jeweils gleich wieder ganz weit weggeworfen, aber das Teil bleibt eben nie lange weg... Jetzt habe ich mir gedacht, dass ich wohl besser mal aktiv hinschaue und den Boomerang mit beiden Händen fasse, damit er mir nicht plötzlich in den Rücken fällt, wenn ich es am wenigsten erwarte...

 

"Erfolg HAT DREI Buchstaben: tun!"

Goethe


Warum, so frage ich mich, bin ich Meisterin im Dinge anfangen und nicht fertig machen? Das zieht sich durch viele Lebensbereiche. So liebe ich es zum Beispiel, ein neues Buch in den Händen zu halten und das leise Kribbeln der Vorfreude zu spüren, wenn man die erste Seite aufschlägt. Voller Erwartung und mit guten Vorsätzen, kann ich mich in ein Buch hineinknien,nur um es dann doch nach der Hälfte irgendwo hinzulegen und nicht mehr hervorzunehmen. Oder ich habe eine Idee zum Stricken, Häckeln, Nähen oder Basteln, aber dann plötzlich vergeht mir die Lust oder die Freude und ich lege die Arbeit nur mal schnell hin...bis sie Staub ansetzt. Ich bin eine "unfertig" Leserin und eine "unfertig" Handarbeiterin. 

Jetzt könnte man sagen,halb so schlimm, jeder lässt mal etwas unfertig liegen oder liest ein Buch nicht zu Ende. Wenn sich diese Eigenart nur nicht gehäuft hätte in letzter Zeit. Da liegen einige Bücher herum und wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich schwören,dass die mich jedes Mal vorwurfsvoll anschauen, wenn ich an ihnen vorbeilaufe. Aus einem Korb lugt so ein kleiner roter Streifen Häckelware hervor und scheint mir zu zurufen, dass er seit 2 Jahren auf Vervollständigung wartet. 

Das Neue hat einen unglaublichen Reiz auf mich, aber etwas zu Ende zu bringen ist irgendwie nicht reizvoll für mich. Ich kann mich gut an einen Pullover erinnern, den ich bei der Geburt unserer ersten Tochter zu stricken begann und den ich dann so lange liegen liess, dass er ihr schon zu klein gewesen wäre, hätte ich ihn denn jemals fertig gemacht... Also was ist es? Was hindert mich daran etwas fertig zu machen? Sogar beim Kaffee trinken, lasse ich oft einen Rest in der Tasse und trinke diesen nicht aus, sehr zur Belustigung meiner Freunde und manchmal zum Ärger meines Mannes. 

Etwas Neues anfangen ist immer auch ein kleines Abenteuer, verbunden mit Vorfreude und Tatendrang. Wenn das Abenteuer dann aber voll im Gang ist, wird es plötzlich gewöhnlich, vielleicht etwas monoton. Dann wäre Ausdauer gefragt und der gewisse Biss bis zum Schluss durchzuhalten. Und genau der scheint mir zu fehlen, dieser Biss... Warum weiss ich ehrlich gesagt auch noch nicht, vielleicht finde ich es in nächster Zeit heraus. 

 

Was hilft mir denn etwas fertig zu machen? Es ist Druck von aussen! Das war schon beim Lernen für eine Prüfung oder beim Schreiben einer Arbeit so. Ich musste den Druck eines Abgabetermins spüren, damit ich mich dahinterklemmte und das ist bis heute so. 

Und weil mich die unfertig gelesenen Bücher und die unfertigen Handarbeiten aus allen Ecken meiner Wohnung bedrängen, nutze ich meinen Blog um zumindest bei einigem zur Vervollständigung zu kommen.

 

Die guten Vorsätze macht man sich ja eigentlich aufs neue Jahr. Ich habe mich aber entschieden noch ein paar gute Vorsätze ins alte Jahr reinzupacken; geht ja schliesslich noch drei Monate! Ich möchte mir beweisen, dass ich den Willen aufbringen kann etwas fertig zu machen und ihr sollt meine Zeugen sein (das wäre dann der Druck, den ich brauche). Damit das unfertige Zeugs fertig wird, ohne mich fertig zu machen, habe ich mich auf vier Dinge beschränkt. Das scheint mir realistisch zu sein:

Die "granny Square" Decke

Vor zwei Jahren begeistert begonnen, verlor das Projekt nicht in erster Linie wegen mir seinen Reiz, sondern weil meinen Mann den Brechreiz plagte, sobald er die Decke ansah. Er findet sie hässlich und will sie nirgends in unserer Wohnung tolerieren. Das nahm mir ziemlich die Freude an diesem aufwändigen Projekt - aber wisst ihr was? Nach zwei Jahren gefällt sie MIR immer noch! Deshalb mache ich sie fertig und auch wenn sie nie in unserem Wohnzimmer liegen wird; es wird sich ein Plätzchen für sie finden!

Die Zierbordüre am Schal meiner Schwiegermutter

Solche Schals habe ich schon drei gestrickt. Ich kann also doch Ausdauer haben! Meine Schwiegermutter war so begeistert vom Strickmuster, dass sie sich letztes Jahr einen gestrickt hat. Ich habe ihr versprochen, dass ich die schwierige Lacebordüre für sie stricken werde... Ein Jahr zu spät will ich dieses Versprechen nun doch noch halten. 

die Unfertige Lektüre

Zwei Bücher, das eine hat mich angelacht und ich habe es gekauft, das andere bekam ich geschenkt. Beide angefangen, keines fertig gelesen.

 

 

Das sind also meine "unfertig - Projekte" und ich werde euch Ende Jahr schreiben wie es mir ergangen ist.

Habt ihr auch solche Projekte, die nie fertig wurden, oder Ideen die ihr nie verwirklicht habt, weil ihr sie vor euch herschiebt?

Es würde mich interessieren wie es euch ergeht und wie ihr damit umgeht. Kommentare sind sehr erwünscht!


Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Nicole (Donnerstag, 28 September 2017 12:53)

    Bei mir ist es eher umgekehrt. Ich freue mich soo fest das Endprodukt zu sehen beim nähen (resp. Auf das Ende vom Buch) dass ich gar nicht aufhören kann und es baldmöglichst fertig haben will. :-)

  • #2

    Mammandrea (Sonntag, 01 Oktober 2017 14:59)

    Hallo Nicole!

    Ja, diese Phasen kenne ich auch (-; die sind bedeutend schöner, als wenn man sich bei etwas durchbeissen muss. Habe den Schal bereits fertig gemacht und muss sagen: es ist ein super Gefühl!
    Wünsche dir immer viel Freude bei deinen zahlreichen Nähprojekten.
    Liebe Grüsse
    Adrea

  • #3

    Marg (Dienstag, 03 Oktober 2017 12:10)

    Hei Ändecke, scho gli sich Fründinne Wuchenänd, de hersch uuuuuu viu Zit zum lisme, hägle...... bei m lafere u Filmi luege. I nime de o öbis mit �, de fägts meh. Freue mi, bis gli m

  • #4

    Mammandrea (Mittwoch, 04 Oktober 2017 17:38)

    Hey Marg, ja da freue ich mich schon meeega drauf. Nimm einfach nichts mit das mit Google Translate aus dem Schwedischen übersetzt wurde (-;

  • #5

    Delin (Montag, 09 Oktober 2017 08:32)

    Hey sister
    Also zu deiner Ermutigung: alle wunderschönen Handatbeiten die du mir bis jetzt geschenkt hast waren total fertig gestellt. Der Beweis dafür, dass du es kannst!

  • #6

    Irina (Mittwoch, 04 Juli 2018 22:25)

    Kann dir gut nachfühlen! In vielem was du schreibst finde auch ich mich wieder (also so viel habe ich ja noch nicht gelesen, aber schon da..). Bei mir sind es die Arbeiten, die mir "stinken", die bis ins unermessliche Aufgeschoben werden. Sobald es mit Zahlen, Geld und Administration zu tun hat: Steuererklärung, Budget aufstellen, Stipendienanträge stellen. Alles sehr formale, korrekte, mathematisch genaue.. da fühle ich mich schnell mal überfordert, will dann aber doch keine Hilfe von Aussen beanspruchen - denn das wäre für mein Ego ja Schwäche zeigen - und so bleiben diese Arbeiten liegen...