Vom Schnee überrascht

Klar, es wurde vom kommenden Wetterumschwung geredet und dass der Schnee bringen würde. Ich war jedoch nicht all zu fest  beunruhigt, als ich gestern mit meinem Dienstauto zu den verschiedenen Klienten den Berg rauf und runter fuhr. Als ich dann jedoch am späteren Nachmittag die Wohnung einer Klientin verliess, stürmte es ganz gewaltig und die Temperatur fiel innerhalb einer halben Stunde, um fast zehn Grad Celsius ab...

"Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist."

Henry Ford


Und ausgerechnet dann musste ich noch einmal für einen Klienten rauf auf den Berg fahren! Na gut, dachte ich mir, ich beeile mich besser, bevor es noch ernsthaft zu schneien beginnt. Es wurde dann aber recht schnell klar, dass es schon zu spät war und alles sich beeilen nichts mehr bringen würde; es schneite so stark, dass man kaum die Strasse sah und der Boden, bereits nass und mit Blättern übersät, war innerhalb weniger Minuten vom Schnee überdeckt. Was erst mit einem leisen Unwohlsein begann, wuchs schnell zu einem latenten Panikanfall heran. Während ich in den ersten Kurven den Berg rauf, noch überzogen war, dass ich es schaffen kann, wenn ich nur vorsichtig genug fahre, wurde es etwa in der Hälfte unübersehbar gefährlich. Ich liess mich von meiner eigenen Unerfahrenheit im wahrsten Sinne des Wortes aufs Glatteis führen! Die Räder drehten durch und der Wagen kam ins schlingern. Ich hatte schon lange keine solche Angst mehr und musste mich mit aller Kraft zwingen, ruhig zu bleiben und logisch zu denken. So machte ich kehrt und hatte beim runterfahren meinen nächsten Schock: Beim Bremsen blockierten die Räder! Irgendwo aus den tiefen meines Bewusstseins kam die Stimme meines Fahrlehrers hervor: "Im Schnee immer mit der Gangschaltung bremsen!" Und so fuhr und rutschte ich Kurve um Kurve im Schneckentempo und im ersten Gang die Strasse runter, bis ich wieder griffigen Strassenbelag unter den Rädern hatte. Nachdem ich den Klienten informiert hatte und seine Angehörigen zusagten die pflegerische Intervention zu übernehmen, gab ich mich kurz meiner innereren Panik hin und sass zitternd und weinend im Auto. 

Mir wurde bewusst, dass mich die Natur ausgebremst hat. Ich kam völlig unvorbereitet in eine Situation, der ich nicht gewachsen war, hilflos ausgeliefert. Plötzlich brach es über mir zusammen; das war erst das erste von vielen Malen während des ganzen Winters! Ich kann das nicht! Ich kündige lieber als dass ich eine solche Angst noch einmal erleben muss! Fünf Minuten lähmende Panik auf kosten des Arbeitgebers mussten dann jedoch reichen und ich machte meine Tour noch fertig. 

 

Später, immer noch innerlich zitternd, kam dann die Frage:"Willst du jetzt vor der Front des Lebens davon laufen, oder dich der Herausforderung stellen?" "Davonlaufen!" schrie meine nackte, zitternde Seele. "Dem will ich mich stellen!" meinte der Verstand resolut. Es arbeitete zwei volle Stunden lang in mir weiter und als dann mein Mann nach dem Gottesdienst nach Hause kam und die Kinder im Bett waren, wusste ich was zu tun war. Wie wäre ich wahrscheinlich auf den Berg gekommen? Mit Schneeketten! Wie man solche montiert, habe ich vor fast 20 Jahren mal gezeigt bekommen; sprich - ich hab KEINE AHNUNG! Obwohl ich zwischen lauter Bergen aufwuchs, setzte ich mich nie dem Risiko aus mit dem Auto auf Glatteis zu fahren. Denn schliesslich bleibt man zu Hause wenn es schneit, oder geht zu Fuss durch das schöne Weiss. Jetzt zwingt mich aber mein Job dazu bei jedem noch so unmöglichen Wetter mit dem Auto unterwegs zu sein und ich kann weder zu Hause bleiben , noch meinen Mann fahren lassen. 

 

Ich bezeichne mich im Allgemeinen als eine selbständige, fähige Frau, doch wenn ich in eine Situation gerate, die sich meiner Kontrolle entzieht, dann komme ich ganz schön ins Schwitzen. Ich mag es überhaupt nicht mich hilflos zu fühlen und meine erste Reaktion ist meistens, der Situation aus dem Weg zu gehen und mich ihr nicht mehr auszusetzen. In dieser Situation bleibt mir nichts anderes übrig, als mich ihr zu stellen und deshalb habe ich meinen Mann gebeten, mir zu zeigen, wie man Schneeketten korrekt montiert. Das nächste Mal wenn ich arbeite, bringe ich den Wagen in der Mittagspause nach Hause und ich werde das so lange üben, bis ich es auch unter erschwerten Bedingungen, sprich im Schnee und bei Finsternis beherrschen werde. Denn ich fühle es ganz tief in mir: Nur so kann ich meine Angst vor dem nächsten Wintereinfall besiegen und der kommt so sicher wie das "Amen" in der Kirche! 


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