Nicht ganz dicht?

Ich frage mich, wer die gut gemeinte, aber in meinen Augen "bireweichi" (idiotische) Idee hatte, in den Kinderabteilungen der Schuhgeschäfte Fernseher hinzustellen. Ohne Zweifel war derjenige entweder ein Gutmensch, der den Eltern das Einkaufen erleichtern wollte, oder ein absoluter Kapitalist, der nur darauf bedacht war, die Eltern solange wie möglich in seinem Geschäft zu halten.

Wie dem auch sei; die Kinder sind begeistert...

 

"Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht."


Es ist fast so, als würde man ihnen beim Betreten, der ihnen bekannten Schuhläden, den Chip im Gehirn auswechseln: Waren sie vorher noch quirlig und gesprächig, so schlägt das beim Öffnen der Türe um; sie laufen ohne Worte, zielstrebig auf den Fernseher zu und sind von da an nicht mehr ansprechbar. Und genau das ist das Problem, liebe Erfinder der Schuhgeschäft-Fernsehstation; SIE SIND NICHT MEHR ANSPRECHBAR!

 

Da muss ich plötzlich meinem 8jährigen Sohn wieder die Schuhe anziehen, wie vor fünf Jahren, weil er so abgelenkt ist, dass er willenlos alles über sich ergehen lässt, ohne auch nur die kleinste Spur von Eigeninitiative zu zeigen. Meine Kinder werden vor dem «Flimmerkasten des Vergessens» zu regelrechten «Ja-Sagern» - bloss damit man die Mutter schnell zum Schweigen bringen und sich wieder auf die Geschichte von Tom und Jerry konzentrieren kann.

«Finn, gefallen die diese Schuhe?» - «Ja» - «Sind sie bequem?» - «Ja» - «Wirst du die anziehen?» - «Ja.» Die eine oder andere denkt jetzt sicher: «Na, das ist ja easy; so geht Schuhe kaufen schnell!» Ja meine liebe Mitleserin; das habe ich anfänglich auch gedacht, aber die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende! Zu Hause angelangt bin ich dann jeweils echt erledigt, denn ich habe ja nicht nur einen Sohn, sondern auch noch zwei Töchter. Und die Kinder vom Fernseher wegzubekommen ist in etwa so nervenaufreibend und mühsam, wie einen Kaugummi aus den Schuhsohlen zu puhlen.

Ein, zwei Wochen später fällt mir dann auf, dass der Sohn die Schuhe die wir gekauft haben, nicht anzieht, sondern immer noch mit seinen alten Latschen rumläuft. Als ich ihn frage, warum er denn jetzt die Neuen nicht anziehe, sagt er mir: «Weisst du, die gefallen mir nicht!»…

Hejejej! Da war ich jetzt erst mal stinksauer auf meinen Sohn. Als ich dann aber über den Grund nachdachte, fand ich die Schuld eher beim Fernseher und der ablenkenden Wirkung, als bei ihm selbst. Der Gute hatte mir überhaupt nicht zugehört und einfach zu allem Ja gesagt!

 

 

Und da ertappe ich mich doch gleich selbst! Auch mir passiert es ab und zu, dass ich abgelenkt bin, mich mit zu vielen Dingen gleichzeitig berieseln lasse und dann den Blick aufs Wesentliche verliere! Ich öffne mich für viele Reize von aussen und weil ich zu Vieles reinlasse, bin auch ich plötzlich nicht mehr ganz dicht! Mir entfallen dann nämlich die wirklich wichtigen Themen, Fragen, Werte und Aufgaben. Sie gehen vergessen, werden aufgeschoben, ausgeblendet und nicht selten steh ich dann, wie mein Sohn da: Mit Schuhen, die ich überhaupt nicht wollte!

Wenn dann nämlich die Realität zurückehrt, stelle ich plötzlich fest, dass ich zum Beispiel jemandem nicht richtig zugehört habe und einfach «Ja» gesagt habe. Wer (J)A sagt muss auch B sagen! Plötzlich muss ich etwas erledigen, wozu ich eigentlich keine Zeit habe. Oder mein Mann bittet mich etwas für ihn zu tun und ich fertige ihn, abgelenkt durch die «Flimmerkiste meines Alltags», mit einem schnellen «Geht klar!»ab, nur um es in der nächsten Minute schon vergessen zu haben. Später behaupte ich dann steif und fest, dass er mich nie darum bat , weil ich mich einfach nicht erinnern kann…

 

So nehme ich mir einmal mehr vor zu fokussieren; mich nur auf etwas, das Wichtigste in dem Moment, zu konzentrieren. Ich will und muss nicht für alles offen sein. Ich kann auch mal ganz «Anti-Multitasking» einfach nur etwas tun. Denn meiner Erfahrung nach habe ich dann auch ein nachhaltigeres Resultat – nämlich Schuhe, die mir passen und gefallen!Deshalb. Flimmerksite aus; Leben an!

 

 

*Photo by Ajeet Mestry on Unsplash

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Ursi Mlekusch (Freitag, 07 Dezember 2018 20:58)

    Hi, Andrea
    Das mit dem Fernseher da... Es lief bei uns so: Der 6 Jährige war so sehr abgelenkt, dass ich die Verkäuferin bat, den Kasten auszuschalten. Das tat sie. Bub fing an zu weinen. "Warum ist er kapuuuut, wäh?" Ich: Keine Ahnung, vielleicht keine Strom mehr.
    Das war das einzigste Mal, dass ich ihn vorsätzlich angelogen habe....

  • #2

    Sula (Dienstag, 18 Dezember 2018 13:08)

    Wie bekannt mir das vorkommt... :-))Diese Schuhladen-Flimmerkisten - schlimm... Das erinnert mich an diese Phase. Damals gabs mal einen ähnlich frustrierten Blogpost: https://himmelerde.blogspot.com/2014/11/kino-im-schuhgeschaft.html?m=1
    Nach wie vor kaufen wir Schuhe nur noch in kinofreien Geschäften... Ich könnte dir also mit Adressen weiterhelfen ;-)