Das Leben ist wie eine Thai Massage...

Kamst du auch schon mal in den Genuss von einer authentischen Thai Massage? Da ich die letzten zwei Monate mit meiner Familie in Thailand herumreisen durfte, unterzog ich mich natürlich auch ein paar Mal dieser nationalen Tradition.

Wenn man das Wort Massage hört, stellt sich der Durchschnittsschweizer wahrscheinlich vor, wie er in entspannter Atmosphäre mit wohlriechenden Ölen, zu Klangschalenmusik und sanften Berührungen in die tiefenentspannte Glückseligkeit geknetet wird...


 Danach schwört man sich, dass man das jetzt regelmässig machen will; tut es dann aber doch nicht- weil diese Art der Glückseligkeit zu viel kostet-und nötigt stattdessen ab und zu den Ehepartner, sich in seinen Massagekünsten zu versuchen.

 

Wer sich jedoch in die starken und fähigen Hände einer thailändischen Masseuse begibt, wird schnell dieser harmonischen Vorstellung beraubt! Nach den ersten fünf Minuten ist man sich plötzlich nicht mehr sicher, ob man der nächsten Stunde gewachsen sein wird und nach weiteren zehn Minuten, beginnt man ernsthaft daran zu zweifeln, ob der eigene Körper diese Behandlung überhaupt ohne permanenten Schaden überstehen kann… Da wir nicht bedeutsam und sanft geknetet, sondern zielstrebig, ohne zu zögern gewalkt und gedehnt.

 

In all meinen Thai Massage Erfahrungen, sah ich mich einer kleinen, um die 1.50 grossen, zierlichen Frau gegenüber und ich habe mich stets gefragt, wie in einer so kleinen Gestalt eine so brachiale Kraft schlummern kann. Und da werden keineswegs nur die Hände zu Massage eingesetzt; sondern auch die Knie und Füsse – das erfordert ganzen Körpereinsatz. Öl und Klangschalen gibt es nur in den sehr touristischen Gefilden, ansonsten gibt es eine Matte auf dem Boden, vielleicht noch einen Buddha und Räucherstäbchen. Alle diese Frauen hatten eines gemeinsam: Sie haben stets meine schwachen Stellen, meine Verspannungen und verhärteten Muskeln gefunden und sich ihnen hingebungsvoll gewidmet. Als sie dann jeweils auf dem Gipfel des Schmerzes befahlen: «Relax!» hätte ich gerne gelacht, wenn ich gekonnt hätte. Wie bitte schön, soll das denn gehen, wenn ich schon Tränen in den Augen habe und kurz davor bin von der Liege zu springen?! Das ist wie wenn man einer Gebärenden während einer Presswehe sagt: «Entspann dich!»… Ich fühlte mich tatsächlich an meine Geburten erinnert  und habe mir vorgebetet was die Hebamme mir immer gesagt hatte: «Tief in den Schmerz atmen…tief in den Schmerz atmen… tief in…ahhhhh!»

 

Wäre eine Thai Massage nur schmerzvoll, dann würde wohl niemand mehr hingehen. Aber es gibt ja auch noch «Teil Zwei» und der beginnt erst NACH der Massage. Denn da kam bei mir jedes Mal die Tiefenentspannung! Der Knoten im Nacken hatte sich gelöst, die Verspannung im Kreuz war weg und es war für einige Zeit wie auf Watte gehen! Deshalb ging ich bei der nächsten Gelegenheit auch gleich wieder hin.

 

Manchmal scheint mir das Leben wie eine Thai Massage zu sein: Wenn man mitten drin ist, dann ist es schmerzhaft und man würde sich wünschen man hätte nie diesen Weg beschritten. Vielleicht befürchtet der eine oder andere sogar, dass der Prozess, den man da gerade durchläuft, nichts besser, sondern alles nur noch schlimmer macht. Man steht in dieser Zeit vor der Entscheidung auf die Zähne zu beissen oder abzuspringen.

Es gibt Zeiten da erwartet man vom Leben eine «Klangschalen Streichelmassage» ; was man aber kriegt ist eine harte, schweisstreibende Thai Massage!

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass genau diese Zeiten, wo man durchbeissen und Schmerzhaftes erleben muss, dazu dienen, daran zu wachsen und sich danach ein Stück heiler und entspannter zu fühlen. Das gelingt mir jedoch nur, wenn ich bereit bin, mich darauf einzulassen.

 

Gerade auch dieser Thailand Aufenthalt hat mir das bewusst gemacht. Diejenigen, die mein Buch «Die Welt braucht keine Superheldin» gelesen haben, wissen um mein zwiespältiges Verhältnis zu Thailand. Vor dreizehn Jahren war dieses Land ein Jahr lang unser zu Hause und hat mich bis zu meinen Grenzen und weit darüber hinaus getrieben. Jetzt, dreizehn Jahre später, dorthin zurück zu kehren löste einige Ängste in mir aus. Was wenn es zu schmerzhaft wird? Was wenn ich noch einmal eine schlimme Zeit in diesem Land erlebe? Will ich wirklich zurück an den Ort, der so schwierig auszuhalten war für mich?

Im Ganzen verbrachten wir nur knapp eine Woche an unserem früheren Wohn- und Einsatzort. Als wir uns auf den Weg machten in diese sehr abgelegene Region direkt an der Grenze zu Myanmar, wollte ein Beklemmungsgefühl aufkommen und mich innerlich lähmen. Im Vorfeld hatte ich einige Zweifel und Sorgen auszustehen und trotzdem habe ich mich auf diesen Prozess eingelassen; im Glauben, dass ich meiner Vergangenheit begegnen kann und endgültige Heilung erfahren darf.

 

Die Menschen aus dem Dorf wiederzusehen und mit ihnen Gemeinschaft zu pflegen nach so vielen Jahren, war für mich wie «Teil Zwei» der Thai Massage: Entspannung kam, Knoten die sich vor Jahren gebildet hatten, haben sich gelöst und es fühlte sich an wie auf Wolken gehen!

 

Wenn ich bereit bin einen schmerzhaften Prozess zu durchlaufen, der das Ziel hat mir Heilung und Linderung zu verschaffen, dann lohnt sich das immer! Manchmal bleibt mir im Leben nichts anderes übrig als tief in den Schmerz hinein zu atmen, denn das heisst ihn wahrzunehmen und anzuerkennen. Erst dann kann er sich verflüchtigen und "Lebenskrämpfe" können sich lösen.

Die Thai Massagen der letzten Wochen haben mich eines gelernt: Manchmal braucht es zuerst Anspannung bevor die Entspannung kommen kann!

Und wenn ich den Kopf nicht mehr drehen kann, weil es mir im Nacken etwas eingeklemmt hat, dann gehe ich in die Thai Massage, denn die «Entspannungs-Ölmassage» aus dem Hammam bringt mir da keine Linderung! Die riecht zwar gut und tut nicht weh, aber danach kann ich den Kopf immer noch nicht drehen. Dazu brauche ich eine 1.50 grosse, zierliche Thailänderin mit stählernen Händen.

Auf die "Lebensverspannungen" bezogen sind das manchmal Menschen um mich herum, die den Finger auf einen schmerzhaften Punkt legen oder es ist Gott der mit seinen starken, aber immer liebenden und wohlmeinenden Händen eingreift, bis der Schmerz nachlässt.


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Kommentare: 1
  • #1

    Andrea (Donnerstag, 05 März 2020 16:49)

    Liebe Andrea, herzlichen Dank für diese lebendige, ermutigende Erzählung und den tollen Vergleich! Du hast das wieder mal genial beschrieben. :-)
    Liebs Grüessli
    Andrea