Falschfahrer!

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal unter die Falschfahrer gehen würde! Aber genau das ist letzte Woche auf der Arbeit passiert… Von einem Klienten kommend, schon an den nächsten Einsatz denkend, stieg ich zackig ins Spitex Auto und fuhr auf die Hauptstrasse hinaus. In flottem Tempo fuhr ich dem nächsten Klienten entgegen, bis mir plötzlich ein Auto auf Kollisionskurs entgegenkam und ich mit einem mächtigen Schock realisierte, dass ich auf der linken Strassenseite gefahren bin!...

 

"Die grösste Gefahr im Strassenverkehr sind Autos, die schneller fahren, als ihr Fahrer Denken kann."

Robert Lembke


Der Vorfall verlief glimpflich, denn ich war auf einem geraden Streckenabschnitt und sah den Wagen schon von Weitem kommen. Was mich dann aber doch den ganzen Morgen nicht losliess, war die Tatsache, dass ich selbst NICHTS gemerkt habe. Ich war in dem Moment allein auf der Strasse, mein Hirn hatte also keine Anhaltspunkte von anderen Autos, die mir die Richtung gewiesen hätten. Und eben dieses Gehirn hat wohl gedacht es sei im Linksverkehr herrschenden Thailand. Wie konnte sich das aber so tief in meine Denkfurchen eingeprägt haben? Ich war doch in Thailand nie selbst am Steuer, sondern immer nur Beifahrerin!

Während unseres zweimonatigen Aufenthalts trichterte sich mein Mann manchmal Gebetsmühlenartig «links fahren, links fahren, links fahren…» ein, wenn er losfuhr. Es ist schwierig sich eine Gewohnheit umzugewöhnen und etwas, das im eigenen Land als falsch gilt, plötzlich als richtig zu verstehen. Er hat das aber super gemacht und ich habe mich immer sicher gefühlt, wenn e fuhr. Ausser vielleicht am ersten Tag, als ich solche Angst hatte, dass ich mich mit beiden Händen am Sitz festkrallte und meinem Mann in regelmässigen Abständen «Achtung!» ins Ohr schrie… was ihn natürlich mehr erschreckte, als dass es eine Hilfe gewesen wäre. Oder am letzten Tag, als uns das Navi in Bangkok mitten durch die Stadt führte, um zum Flughafen zu gelangen und unser Schweizer Fahrstil bis ans äusserste strapaziert wurde bei 12- spurigen Strassen und Achterbahnmässigen Ab-und Verzweigungen.

Ansonsten haben wir uns aber gut an die linke Strassenseite gewöhnt; zu gut wie es scheint!

 

Wie so oft im Leben bekommen solche Vorfälle für mich tiefere Bedeutung und werden eine Lehre auch für andere Lebensbereiche. Mir konnte dieser «Fauxpas» nur passieren, weil in dem Moment, als ich auf die Strasse fuhr, kein Verkehr herrschte. Ich war für eine kurze Zeit allein unterwegs und deshalb innerlich absolut sicher, dass ich richtig bin. Nichts, absolut nichts fühlte sich falsch an. Erst das Erscheinen des anderen Autos zeigte mir meinen Irrtum.

 

 

Ist es nicht manchmal so im Leben? Ich gehe meinen Weg und bin überzeugt, dass das was ich tue richtig ist, völlig in meine ganz persönliche Wahrnehmung versunken. Ich kann so sehr in meiner Überzeugung gefangen sein, dass mir nicht bewusst wird, wie gefährlich mein Verhalten oder meine eingeschlagene Richtung für mich und andere sein kann.

Lass mich dir ein paar, natürlich rein hypothetische (-; Beispiele aufzählen, die mir (oder vielleicht auch dir?) passieren könnten:

Ich kann mir einreden, dass jeden Abend Netflix schauen schon in Ordnung ist, es dient ja schliesslich meiner Entspannung nach einem anstrengenden Tag. Dabei merke ich nicht, wie die Beziehung zu meinem Mann leidet, weil wir nicht mehr miteinander reden und Vieles unausgesprochen bleibt. Mit meinem «Netflix Entspannungsauto» bin ich auf dem besten Weg dazu, meine Beziehung an die Wand zu fahren.

Oder ich bin der Überzeugung, dass es richtig ist meine ganze Bestätigung über die Arbeit zu beziehen und deshalb verbringe ich mein Leben dort. Ich mache Überzeit, nehme die Arbeit nach Hause und springe für alle ein. Ich schlage den Weg ins eigene Verderben ein und schade meiner Gesundheit und meinem privaten Leben.

 

Es kommt mir manchmal vor, als würden die Menschen immer mehr ihr eigenes Ding fahren, so ganz nach dem Motto: «Hauptsache für mich stimmt’s!» Aber wir wissen alle; im Strassenverkehr gibt’s kein «Hauptsache für mich stimmt’s» - es gibt Regeln und wenn man die nicht einhält gibt’s saftige Konsequenzen! Das ist die Realität!

 

Und ob es mir gefällt oder nicht; auch in meinem Leben haben meine Überzeugungen oder mein Verhalten Konsequenzen. Immer wieder mal fahre ich auf der linken Strassenseite des Lebens, völlig selbstvergessen und in mich gekehrt. So mit mir und meinem Zeugs beschäftigt, dass ich nicht mal sehe wie sehr ich auf dem Holzweg bin. Erst die Beziehung zu anderen Menschen, konfrontiert mich dann mit der Wahrheit. Erst mein Gegenüber das ausruft: «Hey wach auf!» oder «du schadest dir und anderen!» bringt mich zurück in die Realität – dorthin wo es nicht nur mich und meine kleine private «Mammandrea Welt» gibt.

 

 

Genau so wie das mir entgegenkommende Fahrzeug, meine Perspektive wieder ins Lot brachte, geschieht das in meinem Leben immer wieder, wenn ich bereit bin, die Menschen um mich herum zu sehen und sie ernst zu nehmen. Wenn ich meine Kinder wahrnehme, die sich beschweren, dass ich zu schnell die Geduld mit ihnen verliere oder meinen Mann, der sich nach einem langen Tag halt auch noch ungeteilte Aufmerksamkeit wünscht: Dann ist es manchmal an mir, die Spur zu wechseln.

 

 

David schreibt in der Bibel:

 

«Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir!» Psalm 139.23-24

 

 

Dieses Gebet habe auch ich immer wieder! Dass mein Herz und meine Gedanken geprüft werden von Gott, damit ich wieder auf die rechte Spur meines Lebensweges komme; weg vom Kollisionskurs!

 

 

Es ist nicht einfach, sich einzugestehen, dass man selber auf der linken Spur gefahren ist und es nicht einmal gemerkt hat. Es ist sogar ziemlich demütigend. Wisst ihr was mein erster Gedanke war, als ich realisierte, dass ich auf der falschen Seite fahre? Nicht etwa «Ui das ist gefährlich!» Nein; mein erster Gedanke war: «Shoot! Mein Auto ist gross mit Spitex angeschrieben! Was ist, wenn der jetzt meinem Betrieb telefoniert?! Da stehe ich schön blöd da!»

 

 

Die Angst vor Entblössung und Demütigung möchte uns manchmal daran hindern, uns selbst und anderen einzugestehen, dass man falsch war und umkehren sollte. Ich stelle aber fest; dass es einfacher wird, je öfter man bereit ist, über seinen eigenen Schatten zu springen.Ich brauche meinen Nächsten, damit er mir einen Spiegel vorhalten kann. Ich brauche Gott, damit er meine Gedanken und Absichten durchforscht und ich brauche meinen gesunden Menschenverstand, damit ich aus meinen "Falschfahrten" lernen kann!

 

 

 


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