Realitäts-Check

Noch vor zwei Wochen habe ich mir versprochen, dass ich sicher nicht über diesen allseits präsenten Corona Virus schreiben würde. Jetzt hat sich die Thematik aber so unverschämt frech in aller unser Leben gedrängt, dass ich mein Versprechen brechen muss… Ich schreibe über Alltagssituationen und Corona hat meinen und euren Alltag ganz schön auf den Kopf gestellt!

Schule geschlossen! Als ich meinen Kindern diese Neuigkeit verkündete brach zuerst das grosse Jubeln aus...

"Wenn die SchuleN noch länger geschlossen bleiben, Werden die Eltern noch vor den Forschern einen Impfstoff entwickeln!"

Quelle unbekannt


Erst nach ein paar Minuten des Nachdenkens stellte unsere Älteste Tochter fest, dass das aber jetzt viele Probleme für Eltern mit sich bringen würde. Und Finn, unser Sohn, sagte ganz bedrückt: «Es wird mir aber ganz schön langweilig werden ohne meine Kollegen…»

 

An jenem fragwürdigen Freitagnachmittag hat auch mich die Beklemmung fest an der Gurgel gepackt und wollte mich bewegungsunfähig machen. Wie sollen wir das bloss durchstehen? Wie wird das gehen? Eine grosse Unsicherheit macht sich breit; das sieht man ja auch an den völlig unnötigen und irrationalen Hamsterkäufen der Schweizer Bevölkerung. In Zeiten der Angst und Unsicherheit neigt der Mensch dazu, nicht mehr klar denken zu können. Und wenn er denkt, dann tendenziell erst mal an sich selbst.

 

Während ich hier sitze und schreibe, höre ich meinen Mann im Wohnzimmer den Schulunterricht für die Kinder starten. Wir schalteten ziemlich reibungslos in den Thailand Homeschooling Modus. Es kommt unseren Kindern schon fast vertraut vor, dass wir ihnen Arbeitsaufträge geben und mit ihnen lernen. Dafür war Thailand echt eine gute Vorbereitungszeit. Was aber definitiv anders ist, sind die Anforderungen von uns Erwachsenen; Arbeit, Umorganiseren, Belastung etc...

 

Ich schreibe in meinem Buch und lehre in meinen Referaten: «Wir sind zum Gestalten Berufen und nicht zur Machtlosigkeit!» und dieser einfache Leitsatz soll uns in den kommenden Wochen zum Credo werden. Wir lassen uns nicht lähmen von den ausserordentlichen Umständen, denn wir als Familie haben uns entschieden die kommende Zeit aktiv zu gestalten. Ich kann die Umstände nicht beeinflussen, kann weder den Virus noch die daraus resultierenden Entscheidungen des Bundes zum Verschwinden bringen. Das heisst aber keineswegs, dass ich unfähig und ausgeliefert bin! Ich habe immer noch Gestaltungsspielraum und den darf ich nutzen, damit der Ausnahmezustand zu einer fruchtbaren und segensreichen Zeit werden kann.

 


«Ich bin meinem Alltag nicht einfach ausgeliefert, denn Gott gab mir die schöpferische Kraft und Kreativität, meine Einstellung, ja meine Gesinnung zu ändern.»

aus "Die Welt braucht keine Superheldin", Andrea Wenk

 

Was heisst das jetzt aber ganz praktisch in meinem Alltag mit «Corona-Einschränkungen»? Der Ausnahmezustand, wird schon bald Alltag werden und ich darf ihn aktiv, schöpferisch gestalten.

 

Als Allererstes heisst das für mich als Mutter mit manchmal zu hohen Ansprüchen an mich selbst und andere, dass ich meine Erwartungen runterschraube. Es erfordert von mir einen Realitäts-Check, bei dem ich mich frage: «Was ist möglich und nötig und wo darf ich den Mut zur Lücke haben?»

 

Ich habe mir Anfang letzter Woche vorgenommen, dass mir jeden Tag ein anderes Kind beim Kochen helfen soll. In meiner Vorstellung hätte ich dann, anders als im hektischen Alltag, ganz viel Zeit und Geduld gehabt, um ihnen das Kochen beizubringen und sie auch mal etwas ausprobieren zu lassen. Wer mich kennt weiss, dass ich Zeit nur für mich brauche, denn so erhole ich mich am besten und kann meine Gedanken und Gefühle sortieren. Ein Realitäts-Check brachte schnell mal die Wahrheit hervor: Wenn ich den ganzen Morgen Homeschooling mache mit meinen drei Kindern, dann habe ich weder genug Nerven noch genug Wohlwollen übrig, um auch noch mit ihnen zu kochen. Vielmehr muss ich dann die Möglichkeit haben, mich in die Küche zurückzuziehen und die Türe zu schliessen. Und das ist in Ordnung so!

Überall sehe ich im Moment gut gemeinte und motivierende Vorschläge, was man mit den Kindern alles machen kann, um sie zu fördern und zu beschäftigen. Dies reicht von backen bis hin zu komplizierten chemischen Experimenten. Schnell mal kann in mir der Druck aufkommen, dass ich meinen Sprösslingen all das bieten muss und dies führt schlussendlich dazu, dass ich ständig vergleiche und mich und die Kinder stresse.

 

Auch hier tut ein Realitäts-Check gut: Tatsache ist, dass wir im Moment eines im Überfluss haben; nämlich Zeit. Und genau diese Zeit scheint uns momentan  auch nicht davonzulaufen…. Also dürfen die Kinder am Morgen ruhig  länger schlafen und der Tag darf mit Musse gestartet werden. Abgemachte Regeln, die in einem normalen Alltag absolut Sinn machen, können jetzt hinterfragt und vielleicht sogar gelockert werden. So zum Beispiel unsere «Gschichtli Regel». Die besagt, dass jedes unserer Kinder 5 Geschichten pro Woche hören darf (TKKG, Pumuckl, Fünf Freunde& Co.). Diese Regel haben wir jetzt erst mal über Board geworfen, das trägt nämlich zur Entspannung aller bei. Auch jetzt, im Ausnahmezustand, strukturieren wir unsere Woche, dürfen aber auch die Flexibilität haben, etwas Geplantes den Umständen anzupassen. Am Morgen scheint die Sonne und am Nami regnets? Dann tauschen wir halt Schulzeit und Freizeit. Wir können die Grosseltern nicht sehen? Dann telefonieren wir eben und schicken ihnen Zeichnungen und Postkarten!

 

Wir gestalten unsere Zeit, unseren Alltag, unsere Beziehung – einfach mal anders – aber wir können sie immer noch gestalten!

 

Also: Ich wünsche euch allen Freude am Gestalten, Geduld im Ausharren und Mut zur Lücke!

 

Ach und übrigens! Auf Pinterest sieht die Bastelidee so aus:

Und in echt, wenn nur die Kinder basteln, ohne den gut gemeinten, aber fehlplatzierten Perfektionismus der Mutter, dann sieht es so aus:

Der Realitäts-Check sagt: Super so!


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Kommentare: 2
  • #1

    Fabienne (Mittwoch, 25 März 2020 18:02)

    Vielen Dank für die, so gut die Gegenwart spiegelnden Gedanken. Danke auch für die Tipps. Hebets guet und sind gsegnet!

  • #2

    Sabine (Sonntag, 05 April 2020 12:38)

    Danke für die realistischen Worte. Habe schon an mir gezweifelt, angesichts der täglichen Posts ( „ ach was hab ich heute alles Tolles mit den Kindern gebastelt, gekocht, unternommen usw.“) . Struktur ist wichtig, aber jetzt bietet sich die Zeit auch andere Wege zu gehen. Inne zu halten, eine „ Verschnaufpause“ zu ermöglichen, auch für unsere Kinder. Ohne Zwang etwas genormtes abliefern zu müssen. Bleibt‘s gsund !