Von schmutzigen Fenstern

Alltag - ein Wort, das viele ambivalente Gefühle in mir auslöst... Manchmal empfinde ich es als richtiges Unwort, denn es steht für endlose Wiederholungen wie, aufstehen, putzen, kochen, Kinder betreuen, müde sein und...und...und! Ich assoziere oft Langeweile und Eintönigkeit damit, unterbrochen von einigen kurzen hektischen "Katastrophen", die mich zwingen zu handeln, mit dem Gefühl nicht aktiv mitgestalten zu können. Alltag - alle Tage wieder...

Wenn ich jetzt hier stehen bleiben würde, wäre mein Leben ganz schön traurig und perspektivlos. Über die letzten Jahre hat sich der Alltag aber auch noch mit anderen Bedeutungen gefüllt. Zum einen gibt er eine gewisse Routine und Sicherheit für die ganze Familie, damit sich jeder entfalten kann. Noch viel wichtiger ist jedoch, dass der Alltag zu mir spricht, ganz unspektakulär, oft unverhofft, aber unglaublich kostbar!

Die letzten zwei Wochen haben zum Beispiel unsere schmutzigen Fenster zu mir gesprochen....

"Die Entdeckung des Wunderbaren im Alltäglichen bedarf der Fähigkeit, mit den Augen des Herzens sehen zu können."

Ernst Ferstl


Da war dieses eine Mal, als ich mit den Kindern ihre Fenster winterlich schmückte. Wir sind Mitte November einem Bommelwahn erlegen und konnten nicht mehr aufhören die flauschigen Dinger zu produzieren. In ein paar Tagen haben meine Kinder mehrere Wollknäuel "verbommelt" und ihr Enthusiasmus, brachte mich auf die Idee, wir könnten doch mit weisser Wolle Schneebälle fürs Fenster machen. Irgendwann vor einer Woche, wurde mir bewusst, dass dieses Projekt eines der nie zu Ende geführten Projekte meines Lebens zu werden drohte. Ich habe eine ganze Menge solcher Projekte, die von der "To do"- , klammheimlich in die "Never finished" - Liste abrutschten. Dort erinnern sie mich öfter Mal an meine schlechte Angewohnheit, Dinge anzufangen und nicht zu Ende zu führen. Die weissen Bommel waren gemacht, aber noch nicht aufgehängt und meine innere Stimme trieb mich dazu, an einem Nachmittag, an dem schon viel zu viel lief, das Projekt endlich zu beenden. Weil ich so der "ganz oder gar nicht Typ" bin, mussten zuerst natürlich noch die Fenster sauber sein und ich drückte meinen Töchtern einen Spray in die Hand und schickte sie los zum Putzen. Als ich realisierte, dass der Spray ein Badezimmer Putzmittel ist und nicht ein Fensterspray, war es schon zu spät und die Fenster waren eingeschmiert und schaumig! Aus einem "nur mal schnell" Vorhaben, wurde in diesem Moment ein Monsterprojekt und als die Bommel endlich hingen, war ich im wahrsten Sinne des Wortes fix und fertig! Und da sprach der Alltag zur mir:" Weniger ist mehr!" 

 

Ich kann mir den Alltag auch selber sauer machen, mit solchen Nachmittagen, an denen meine Kinder eigentlich meine Aufmerksamkeit möchten, ich aber um jeden Preis meine "To Do" Liste abarbeiten will und mich selber ins "Aus" manövriere. Schnell, schnell noch etwas erledigen, läuft erfahrungsgemäss nicht gut und hat ein hohes Frustpotential.

 

Das zweite Erlebnis hatte ich, als ich am Wäsche zusammenlegen war und den Blick aus dem Fenster auf unsere Bäume genoss. Plötzlich ging die Sonne hinter den Bergen auf und schien schräg in unsere Fenster. Es war ein kleiner Schock zu sehen, wie schmutzig die sind; sie hatten schon fast Milchglasqualität! Der Blick aus dem Fenster war plötzlich überhaupt nicht mehr entspannt und schön, im Gegenteil; der Schmutz nahm dem ganzen Szenario den Glanz! Im Schatten oder Dunkeln, scheinen unsere Fenster in bester Ordnung, aber die Wintersonne bringt hervor wie es wirklich aussieht. 

Es erinnerte mich daran, dass es mit meinem Leben gleich ist; im Schatten meiner Seele sieht manches sauber aus und ich kann es leicht übersehen. Erst wenn das Licht in den Schatten fällt und meine Seele durchscheint, wird so manches sichtbar, das echt schockierend wirkt. Wenn dann einmal das Licht, oder die Erkenntnis, den Schmutz beleuchtet hat, kann ich zwar wegschauen, aber ich weiss nun einfach, dass meine Fenster schmutzig sind, auch wenn ich sie nicht sehe. 

Im Schatten meiner Seele hat sich in letzter Zeit eine Unzufriedenheit entwickelt, die mich wieder mehr auf andere schauen liess, als auf das was ich habe. Ich habe es nicht gleich erkannt, habe gedacht es sei doch alles in Ordnung - bis Gott mal sein Licht in diesen Winkel meiner Seele scheinen liess und ich es als den Schmutz erkannte, der er ist. Die Unzufriedenheit trübte meinen Blick hinaus in die Welt und ich konnte die Wahrheit nicht mehr klar sehen. Plötzlich hatten die da draussen alle viel mehr und viel Besseres und ich selber hatte in meinen Augen immer weniger und Schlechteres. Als diese Erkenntnis ans Licht kam, stand ich vor der Entscheidung wegzuschauen, oder an meiner Einstellung zu arbeiten.

Bei meinen Fenstern habe ich weggeschaut und ignoriere den Schmutz, weil ich einfach zu faul bin sie zu putzen. Bei meiner Seele kann ich das zwar auch so machen, dann wird’s aber recht schnell so schmutzig, dass ich überhaupt nicht mehr klar sehe. So habe ich mich entschieden hinzuschauen und rauszuputzen . Ist zwar mehr Arbeit, echt unangenehm, aber ich weiss, dass es sich danach einfach wieder leichter lebt. 

"Es ist immer wieder eine neue Entscheidung, nicht zu vergleichen, Gutes zu tun und dankbar zu sein."

Tabea Seiler

Wie putze ich den Schmutz in meiner Seele weg? Wenn ich nicht aufmerksam bin, dann passiert genau das, was mir mit meinen Töchtern passiert ist; ich nehme das falsche Putzmittel,verschmiere alles und habe danach mehr Arbeit! Ein solches "falsches" Seelenputzmittel ist für mich die Ablenkung. Wenn die Unzufriedenheit kommt, einfach schnell darüberwischen und mich in meine Welt von Büchern, Filmen und Fantasien zurückziehen. Klappt nur so lange, bis mal wieder die Sonne rein scheint und das Geschmier offenbart... 

Das richtige Mittel, um meine Seele sauber zu kriegen, ist der Unzufriedenheit auf den Grund zu gehen. Was liegt dahinter? Was kann ich ändern, was darf ich lernen zu akzeptieren? Und dann, genau wie Tabea Seiler sagt, will ich mich entscheiden nicht zu vergleichen, mehr auf mich zu schauen und dafür zu danken was ich habe. Der nächste Schritt ist dann, wie schon in meinem Blog "das ICH Karussell" erwähnt; von mir wegzuschauen und anderen Gutes zu tun. Das bringt mich dazu nicht Neid Gedanken, sondern gute Gedanken über meinen Nächsten zu denken! 

 

Währendem meine Fenster in der Wohnung ungestört von Klarglas zu Milchglas mutieren, bin ich also dran, meine Seelenfenster zu schruppen, und mache, dank Gottes liebevollem Beistand, die Erfahrung, wieder etwas klarer zu sehen! 

Das ist es, was den Alltag immer wieder zu etwas Wunderbarem macht; denn nicht im Aussergewöhnlichen findet mein Leben statt, sondern in eben diesem, oft gleichen, Alltag spricht Gott zu mir und verändert meine Seele.


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