Eine Ode an die Ehe

Da lese ich doch einen Artikel in einer Schweizer Zeitung zum Thema «verheiratet sein macht krank». Eine Studie scheint bewiesen zu haben, dass verheiratete Paare mehr krank sind als Singles und Ungebundene. Und wenn dann schon nicht die Ehe krank macht, dann aber sicher die Scheidung – und die meine lieben Schweizerinnen und Schweizer ist heutzutage anscheinend schon eine fest eingeplante Option der Ehe...

"Ich gebe weil ich liebe, ich bekomme weil ich geliebt werde - bedingungslos!


Wenn ich so etwas lese, weiss ich jeweils nicht, ob ich wütend, verzweifelt oder schockiert sein soll. Es beschäftigt mich dann noch stundenlang und ich frage mich, ob ich mich solchen «News» gar nicht erst aussetzen soll. Alle Entwicklungen und Trends ignorieren und in meiner rosaroten Blase leben? Das klingt dann doch zu fest nach der «Kopf in den Sand» Strategie. Trotzdem will ich mich aber von all den negativen Trends nicht runterziehen lassen, oder mich von ihnen überwältigt sehen; ganz nach dem Motto «Da kann man ja eh nichts machen…»

 

Ja was kann ich denn nun machen? Einen Kommentar posten unter dem Artikel und mich in die lange Liste der Zustimmer und Ablehner reihen, mit dem Risiko einen Shitstorm über mich ergehen zu lassen? Ich habe einige Kommentare gelesen und die meisten stimmen der Anti-Ehe Propaganda zu. Single sein ist besser, ungebundene Liebe ist modern und Monogamie ist etwas für die Schwachen und Uncoolen. Was bewirkt da ein Kommentar FÜR die Ehe? Würde ich mich danach wirklich besser fühlen? Ich habe mich dagegen entschieden und verarbeite meine Gedanken dazu viel lieber in einem Blog Artikel. Da ist sie; meine Ode an die Ehe…

 

 

Eine Aussage im Zeitungsartikel die mich am meisten stutzig gemacht hat, war der Satz vom niederländischen Soziologen Matthijs Kalmijn: «Man gewinnt nicht sehr viel, wenn man heiratet, aber man verliert sehr viel, wenn man sich scheiden lässt» Diese Aussage löste in mir die Frage aus, seit wann es denn in einer Ehe ums Gewinnen oder Verlieren geht?

Im Rahmen meiner Ausbildung zur christlichen Lebensberaterin und Seelsorgerin, habe ich ein Buch von Rudolf Dreikurs gelesen (Grundbegriffe der Individualpsychologie) und im Kapitel über das Gemeinschaftsgefühl, las ich folgenden Abschnitt über die Ehe:

«Es ist gefährlich, wenn ein Paar in die Ehe eintritt mit dem Gefühl des 50-50%. So eine Bindung hat den Todeskeim in sich. Unter solcher Voraussetzung schaut jeder darauf, wie viel er bekommt. Und es wird nicht lange dauern, bis jeder merkt, dass er nur 49% bekommt und 51% bieten soll. Eine Ehe kann nur funktionieren, wenn jeder bereit ist, alles zu geben, was er kann, gleichgültig, wie viel er selbst zurückbekommen mag.»

Das einfache Einmaleins der Ehe, das manchmal so schwer in der Umsetzung ist! In der Ehe geht es nicht um mich und darum, dass meine Bedürfnisse gestillt werden von meinem Partner. Es geht nicht um eine ausgeglichene Jahresabschluss Rechnung, bei der Haben und Soll unbedingt gleich sein sollen. Es gibt Zeiten und Bereiche in meinem Leben, da kann ich weniger geben als mein Mann. Und es gibt Bereiche im Leben meines Mannes, da gebe ich mehr als er. Sobald ich meinem Partner vorzurechnen beginne, was er mir schuldet und was er alles nicht getan, oder falsch getan hat, wird es zur 50-50 Ehestrategie und das Sterben beginnt. Dreikurs sagt dazu: «Wer darauf ausgeht, möglichst viel zu bekommen, greift immer ins Leere.» Ich kann nicht verlangen, was der andere nicht zu geben vermag und ich kann nicht geben, was ich nicht in mir habe. Was ich in meiner Ehe aufgefordert bin zu tun, ist, alles zu geben was ich kann. Das ist mir nur möglich, wenn ich nicht so sehr mich im Blick habe, sondern mein Gegenüber. Ich gebe, weil ich liebe und ich bekomme, weil ich geliebt werde! Das ist je nach Lebensphase einmal mehr, einmal weniger, aber es ist auf jeden Fallalles was ich oder mein Partner im jeweiligen Moment geben kann.

Ich verleugne weder die Tatsache, dass es Ehen gibt die scheitern noch die Tatsache, dass es Ehen gibt die krankmachen. Dazu höre ich in meinen Beratungsgesprächen genug. Die Gründe dafür sind oftmals nachvollziehbar und fast immer sehr komplex. Diese leidvolle Tatsache soll mich aber nicht davon abbringen ein Plädoyer für die Ehe zu halten!

 

Der schon fast klischeehafte Bibelvers aus dem 1. Korinther 13, ist trotz zahlreichem Zitieren an unzählbaren Hochzeiten, für mich keineswegs abgewetzt, sondern messerscharf:

«Die Liebe ist geduldig du freundlich. Sie ist nicht neidisch oder überheblich, stolz oder anstössig. Die Liebe ist nicht selbstsüchtig. Sie lässt sich nicht reizen, und wenn man ihr Böses tut, trägt sie es nicht nach. Sie freut sich niemals über Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich immer an der Wahrheit. Die Liebe erträgt alles, verliert nie den Glauben, bewahrt stets die Hoffnung und bleibt bestehen, was auch geschieht.»

Diese Verse bestätigen, dass es bei der Liebe darum geht weg von sich und hin zum anderen zu schauen. Nicht ICH zentriert zu leben, sondern das Beste für den Partner zu wollen. Interessanterweise mache ich die Erfahrung, dass ich selber mit dieser Art die Ehe zu leben, nicht zu kurz komme. Die Rechnung geht auf wundersame Art und Weise auf – denn für mich ist es ganz klar eine göttliche Rechnung, die nach anderen Parametern zählt, als die menschlichen Gleichungen.

Erst wenn ich beginne unzufrieden zu rechnen, dass ich doch eigentlich mehr opfere, zum Beispiel mehr mit den Kindern alleine zu Hause bin und weniger Zeit für mich habe, erst dann kommt das Gefühl des zu-kurz-Kommens auf. Diese Gedanken können sich wie Unkraut in meinem Herzen verankern und wenn ich sie nicht gleich mit den Wurzeln ausreisse und entferne, wuchern sie und nehmen immer mehr Platz ein. Dann beginnen diese Unkraut - Gedanken das Gute und die Liebe im Keim zu ersticken. Ehe ich mich versehe kann ich das WIR nicht mehr sehen, sondern nur noch das ICH.

 

In der Ehevorbereitung mit jungen Paaren machen wir jeweils folgende Übung: Wir fragen sie was sie für ein Tier wären, welches ihr Lieblingstier ist. Dann können sie formulieren, was dieses Tier für Stärken, Schwächen, Angriffspunkte, Sozialverhalten etc. hat. Man nennt dies eine Projektion und etwas ähnliches findet ihr bei meinem Blogeintrag «Ich bin ein Boot».

Oftmals kommen zwei ziemlich verschiedene Tiere raus. Nehmen wir an sie ist ein Elefant und er ist ein Pferd.  Wenn die beiden eine Ehe beginnen und jeder darauf besteht, dass der andere wird wie er/sie selber, dann kommt es schnell zu Konflikten. Wenn das Pferd zum Beispiel vom Elefanten verlangt so schnell und wendig zu galoppieren, wie es selber oder wenn der Elefant verlangt, dass das Pferd immer bei der Herde bleibt. In einem nächsten Schritt lassen wir das Paar ihre drei wichtigsten Stärken nehmen und fragen sie, welches Tier diese kombinierten 6 Stärken vereint. Das ergibt dann das «Ehetier». Der Ehe kann es nur gut gehen, wenn gemeinsame Entscheidungen und Herausforderung mit dem Ehetier bestritten werden und nicht mit dem persönlichen «Einzeltier». Ein Elefant bleibt immer ein Elefant, aber in der Ehe muss er die Fähigkeit entwickeln, mit seinem Partner zusammen ein gemeinsames Tier zu werden. Bei diesem Paar war das zum Bespiel das Kamel. Es ist ein Lastenträger, wie Elefant und Pferd, es ist zäh und ausdauernd, kein Einzelkämpfer, ist eher gemütlich, dafür kräftig unterwegs. Dieses Tier, oder diese Eheperson, darf gestärkt werden und bei Konflikten müssen sich beide unbedingt auf die Seite des Kamels bewegen und schauen, mit welchen gemeinsamen Ressourcen, das Problem gelöst werden kann.

 

In der Ehe muss ich nicht werden wieder andere, ich kann aber auch nicht bleiben wie ich bin. Ich darf ein WIR Gefühl entwickeln, den Blick für meinen Partner haben, mein ICH auch mal hinten anstellen können zum Wohle der Ehe und der WIR. Wenn uns das als Paar gelingt, dann sind wir ein unschlagbares Powerpack!

Der Gewinn einer Ehe? Wo soll ich anfangen? Für mich ist er riesig! Ich gewinne einen Partner, der mich so gut kennt wie kein anderer; dieser Partner gibt mir Liebe und Akzeptanz, ist aber gleichzeitig auch mein Schleifstein. Wir schleifen uns an unseren Unterschiedlichkeiten und das fordert meinen Charakter und meine Persönlichkeit. Wenn ich mich dem stelle und ein «Ja» dazu habe, dann wachse ich daran und wir wachsen zusammen zu einer Einheit - der grösste Gewinn in meiner Ehe!


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Kommentare: 3
  • #1

    Iris Fenner (Freitag, 16 Juni 2017 06:42)

    Vielen Dank mamandrea
    Das drückt ziemlich klar aus was wir nach 28 Ehejahren erleben durften.
    LG Iris

  • #2

    Mareike (Montag, 10 Juli 2017 19:32)

    Hallo,
    Als Mama drei kleiner Kinder dachte ich spontan an die vielen 'Kindergarteninfekte'... Mit Kindern kann so eine Ehe schon anstrengend werden, aber ich wollte es nicht anders haben :-)
    Ich hoffe, dass ich mit den grauen Haaren, die ich womöglich auch noch darüber bekomme, glücklich sein kann. Einfach weil sie Folge eines hoffentlich vollen und reichen Lebens sein sollen!
    Danke für den Text
    Mareike

  • #3

    Mammandrea (Mittwoch, 12 Juli 2017 15:28)

    Hallo Mareike, ja gell in der Kleinkindphase ist man echt gefordert! (-; Mir tut gut zu wissen, dass alles eine Phase ist und auch wieder vorbei geht, auch wenn es endlos zu gehen scheint, wenn man mitten drin steckt (-:
    Ich wünsche dir Zeiten zum Durchatmen und Zeiten zu Zweit, wo ihr eure Ehe aufleben lassen könnt!